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“Rechts, zwo, drei – driftet Europa ab?” – Stellungnahme des Kroatischen Weltkongresses in Deutschland e.V. (KWKD) zu der Arte- Dokumentation vom 4. April 2016

Am 5. April 2016 zeigte der deutsch-französische Kultursender eine Dokumentarsendung von Sebastian Bellwinkel, Romy Strassenburg und Marta Werner mit dem Titel “Rechts, zwo, drei – driftet Europa ab?”, in der die politische Rechtsbewegung in Deutschland, Frankreich, Polen, Ungarn und Kroatien behandelt wird. Die Dokumentation konzentriert sich auf die genannten Staaten und lässt dabei den rechtspopulistischen Aufschwung in anderen Ländern wie beispielsweise Großbritannien, den Niederlanden, Griechenland, Tschechien, Slowakei, Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark oder Österreich außer Acht. Einen recht großen Teil widmet die Sendung Kroatien. Mit dieser Stellungnahme möchte sich der Kroatische Weltkongress in Deutschland e.V. (KWKD) zu der o. g. Sendung äußern.

In dem Beitrag wurde der rechtspopulistische Aufschwung in Deutschland und Frankreich aus dem aktuellen gesellschaftspolitischen Kontext heraus analysiert und erläutert. Im Gegensatz dazu betonten die Autoren der Dokumentation bei dem Fallbeispiel der Republik Kroatien den historischen Ursprung der Rechtspopulisten mit dem Zweiten Weltkrieg und ignorierten aktuelle gesellschaftspolitische Zusammenhänge beziehungsweise räumten diesen nur sehr wenig Platz ein. So wurden alle Ustaša-Anhänger als Faschisten, jegliche Konservative als Ustaša-Anhänger, patriotische Lieder aus der Kroatischen Nationalen Wiedergeburt Anfang des 19. Jahrhunderts aus dem Kontext gerissen und als nationalistisch beschrieben. Die Kroatische Partei des Rechts von Dr. Ante Starčević (Hrvatska stranka prava) wurde prompt als Ustaša-Partei deklariert. Zu betonen ist jedoch, dass all die dargestellten „nationalistischen Strömungen und Ereignisse“ lediglich Randerscheinungen im kroatischen politischen sowie öffentlichen Leben sind – wie in vielen anderen Ländern der EU auch. Die in der Sendung beschriebenen faschistischen Provokationen sind „Auslebungen“ Einzelner und individueller Ausdruck weniger Anhänger der „Ustaša-Bewegung“ sowie verantwortungsloser Gruppierungen. Zu betonen ist auch, dass diese Gruppen regelmäßig Gegenstand öffentlicher Debatten in Kroatien sind und auf Veranstaltungen, bei denen sich die überwiegende Mehrheit politisch korrekt verhält, lediglich Randerscheinungen bilden.

Besondere Aufmerksamkeit verdient jedoch die Art der „Inszenierung“ der Ereignisse innerhalb der Sendung. Bereits im Vorspann der Dokumentation wird die Armee der Republik Kroatien bei einer Militärparade in den Vordergrund gerückt. Schauplatz der Aufnahmen ist eine Militärparade in der Hauptstadt Zagreb anlässlich des 20. Nationalfeiertags (der „Tag des Sieges und der heimatlichen Dankbarkeit“) im Sommer 2015. Es ist möglich, dass solche Bilder für den deutschen Zuschauer befremdlich sind, da in Deutschland Paraden dieser Art nicht stattfinden. Jedoch ist davon auszugehen, dass der französische sowie englische Zuschauer mit solchen Bildern vertraut sein dürfte, zumal die Franzosen den Sturm auf die Bastille jährlich mit einer Militärparade zelebrieren sowie die Briten den Geburtstag ihrer Königin, der Queen. In der Arte-Dokumentation „Rechts, zwo, drei – driftet Europa ab?” wurde der Zweck der Militärparade in Zagreb nicht ausreichend erläutert und ausschließlich im politisch rechten Kontext erwähnt, ohne zu betonen, dass eben diese Bilder aus der Zeit stammen, als die postkommunistische Regierung der SDP-Partei in Kroatien noch im Amt war. Der damalige Premierminister Zoran Milanović bestand darauf, die Feierlichkeiten zum 20. Nationalfeiertag von Knin nach Zagreb zu verlegen. Davor fand zuletzt eine Militärparade 1995 in Zagreb statt! Ein weiteres Merkmal dieser „Inszenierung“ ist die Aufnahme der Kameralinse eines Mannes, der die Staatspräsidentin Kolinda Grabar Kitarović in Knin bei den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 5. August fotografiert; im Vordergrund der Aufnahme deutlich sichtbar das tätowierte Hakenkreuz auf dessen Arm. Daraufhin werden einige Besucher gezeigt, die sich zum Nationalfeiertag am 5. August unangemessen äußern und dabei ihre Unkenntnis der Ereignisse offenbaren, indem sie beispielsweise diesen Feiertag als „zweites Weihnachten“ für Kroaten beschreiben. Die Stimme im Off kommentiert, dass es noch eine andere Version der Militäraktion gäbe und bedient sich an dieser Stelle einer umstrittenen Beschreibung der Ereignisse im Sommer 1995.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die in der Sendung genannten Opferzahlen im Zusammenhang mit dem Konzentrationslager Jasenovac. Die Autoren der Dokumentation präzisieren an dieser Stelle nicht und schließen sich einer bereits bestehenden emotional aufgeladenen Debatte an, in welcher die Opferzahlen häufig überdimensioniert oder heruntergeschätzt werden. Die Opferzahlen im Konzentrationslager Jasenovac sind in der Arte-Dokumentation mit 380.000 Ermordeten sogar um das Fünffache höher benannt als die der Historiker Slavko Goldštein (ehem. Vorsitzender der Jasenovac-Gedenkstätte) und Ivo Goldštein. Als Hintergrundinformation ist es hier wichtig zu erwähnen, dass kroatische Geschichtswissenschaftler nicht an alle historischen Dokumente über das Konzentrationslager Jasenovac herankommen, da diese sich immer noch im Staatsarchiv in Belgrad (Serbien) befinden und eine Sichtung noch immer nicht möglich ist. Somit reiht sich die Dokumentation in eine aufgeheizte Debatte ein und trägt weder zur Vergangenheitsbewältigung noch zur objektiven Aufbereitung der Ereignisse bei. Die Aufarbeitung der Zeit der kommunistischen Diktatur in Koratien bleibt dabei gänzlich auf der Strecke.

Im Gegensatz dazu werden im Falle von Deutschland, Frankreich und Polen in der Sendung auch andere Meinungen sowie objektive Einschätzungen der gesellschaftlichen Entwicklungen beschrieben. Im Fall Kroatien entsteht jedoch der Eindruck, dass die im Beitrag gezeigte Stimmung (die keinesfalls repräsentativ ist, s. o.) das öffentliche Leben dominieren würde. Unterstrichen wird dieses Bild durch die Aussage einer Frau Karla Dragić, die das touristische Land an der Adriaküste als „Fassade“ und ein „kroatisches Disneyland“ beschreibt.

Die Republik Kroatien ist eine junge Demokratie, die teils noch die eigene kommunistische Vergangenheit nach Vorgaben der Resolution des Europarates 1096 und 1481 (2006) aufarbeiten muss. Dies sollte nicht Thema einzelner Gruppen, sondern die Aufgabe der Geschichtswissenschaft sein. Dokumentationen, die dermaßen stigmatisieren wie die beschriebene Sendung, dienen nicht der Vergangenheitsbewältigung, da sie zu sehr polarisieren sowie ungenau und schlecht recherchiert sind. Die wissenschaftlichen Werke zur Geschichte Kroatiens im 20. Jahrhundert sind zu 80% englisch-, deutsch- und französischsprachig und bieten eine westeuropäische Sichtweise auf die Geschehnisse. Um einen objektiven Blick zu erhalten und der Gesamtsituation gerecht zu werden, ist die Einbeziehung einer Innenperspektive notwendig, da diese viele Entwicklungen detailreicher betrachten und sie historisch kontextualisieren kann.

Der KWKD bezieht Stellung zu dem Beitrag, da der Dachverband zahlreiche Bürgeranfragen mit Anmerkungen und Feedback zu der Sendung erhalten hat. Die Zuschauer empfanden die oben genannten Darstellungen und den damit erweckten Eindruck als manipulierend, da Randerscheinungen und Ereignisse, die nicht das öffentliche Leben in Kroatien bestimmen, in den Fokus gebracht und aus dem Kontext gerissen wurden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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